Rosenheim – Fast eine halbe Tonne Abfall inklusive Recycelbarem verursachte jeder Einwohner Deutschlands pro Jahr, Stand 2014 laut Statistischem Bundesamt. Eigentlich müsste im Haushalt von Stefanie Kießling folglich rund zweieinhalb Tonnen Abfall anfallen.

Sie wohnt mit ihrem Mann und den drei Kindern in Bruckmühl bei Rosenheim (Bayern). Doch seit rund zwei Jahren versuchen sie, möglichst ohne Müll zu leben.

Man spricht hier vom Leben mit «zero waste». Grundidee ist, den Anteil von nicht-verwertbarem Restmüll auf nahezu null zu senken, erklärt Ralf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der effektivste Weg, Abfall zu vermeiden, ist naheliegend: Ihn gar nicht erst ins Haus holen. Das geht, indem man etwa mit einer detaillierten Einkaufsliste sich vorher Gedanken über seine Ess-Gewohnheiten macht. Denn wer nach dieser Prämisse einkauft, schmeißt letztlich weniger Produkte weg, die er nicht verbraucht hat.

Aber viele Produkte gibt es im Supermarkt nur verpackt – Pizza, Müsli, Brot und selbst Obst.
Kießling stört das. Denn das ist Abfall, den sie recyceln muss. Sie fährt dann Plastik zum Wertstoffhof, Gläser zum Glascontainer. Denn dafür gibt es bei ihr zu Hause keine eigenen Tonnen – mit Ausnahme für Papier. Am liebsten kauft sie verpackungsfrei ein. Körner für Brot und Müsli holt sie zum Beispiel direkt von einer Mühle. Zum Metzger nimmt sie eigene Gefäße mit. Es gibt aber auch Supermärkte, die mehrheitlich unverpacktes Obst und Gemüse haben.

Einzelne Geschäfte in Deutschland gehen noch weiter: In Milena Glimbovskis Supermarkt in Berlin sind viele der 600 Lebensmittel nicht verpackt, sondern können abgefüllt werden, Kaffee oder Haferflocken etwa. Und Tiefkühlprodukte oder Konserven sucht man in ihrem Laden vergeblich. «Wir wollen eine Alternative zum normalen Einkauf bieten», sagt die Geschäftsführerin von Original Unverpackt.

Doch solche verpackungsarmen Läden gibt es längst nicht überall. Aber auch dann lässt sich beim Einkaufen eine Menge Müll vermeiden, sagt Glimbovski. Nüsse oder Antipasti gibt es auf Märkten oft unverpackt. Bäcker geben ihre Produkte auf die Hand oder in den mitgebrachten Stoffbeutel. Der Aufwand: Manchmal müsse man eben an mehrere Orte gehen statt nur in einen Supermarkt, betont Glimbovski.

Aber um Abfall zu vermeiden, ist auch daheim Kreativität gefragt. Bevor Kießling etwas wegwirft, versucht sie, es weiterzuverwenden. Gemüse-Resten macht sie zum Beispiel Gemüsebrühe, aus Apfelresten wird Essig. Und viele Lebensmittel, die nicht verbraucht werden, können auf den Kompost. Das geht auch ohne Garten, etwa mit kleinen Kompostern, die auf dem Balkon Platz finden, sagt BUND-Experte Buschmann. «So wird aus den Essensresten Dünger für die Balkonpflanzen.» Kießling hat im Laufe der Zeit viele Ideen gesammelt, wie man Abfall weiterverwenden kann. Sogar die alten Strumpfhosen der Kinder nutzt sie: Von den Hosenbeinen schneidet sie Stücke ab, diese ein paar Mal eindrehen und Haar-Gummis entstehen.

Das Verwerten lässt sich sehr weit treiben, doch es gibt Grenzen: Manche Verpackung und manche Glasflasche lässt sich einfach nicht weiternutzen. In dem Fall sollte man seinen Abfall zumindest trennen. Denn der Prozess des Recyclings sei durch möglichst reine Stoffströme besser zu steuern, erläutert BUND-Experte Buschmann. Auch Kießling gelingt es nicht immer, Sachen zu verwerten. Trotzdem fällt bei ihr Restmüll für die Schwarze Tonne so gut wie gar nicht an. Während jeder Deutsche 2014 laut Statistik im Schnitt 162 Kilo Restmüll im Jahr verursachte, füllte der gesamte Restmüll der Familie Kießling 2015 ein Einwegglas und den Beutel eines Bau-Staubsaugers.

Fotocredits: Inga Kjer,Inga Kjer,Inga Kjer,Inga Kjer,www.zerowastefamilie.de,Klaus-Dietmar Gabbert,Andrea Warnecke
(dpa/tmn)

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