Helgoland – Das Ökosystem Nordsee befindet sich in einem starken Umbruch – das zeigen die Forschungen der Biologischen Anstalt Helgoland (BAH). Nun feiert die BAH ihren 125. Geburtstag und lädt am 19. Mai zum Tag der offenen Tür.

«Unsere Langzeitdaten, die bereits 1873 angefangen wurden, werden weltweit für Vorhersagen zum Klimawandel benutzt», sagt die Leiterin der Biologischen Anstalt (BAH), Professor Karen Wiltshire, in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. «Die Bio» – wie ihr Haus gern genannt wird – wurde bereits 1892 gegründet und gehört wie die Wattenmeer-Station auf Sylt seit 1998 zum Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. «Jeder gute, deutsche Meeresforscher war mal auf Helgoland und auf Sylt – das war immer so und ist immer noch so», sagt Wiltshire.

Frage: Welche Bedeutung hat die Arbeit des BAH für die internationale Forschung zum Klimawandel?

Antwort: Es gibt nur sehr wenige Datensätze zum Ozean, die derart lang sind und uns so Erkenntnisse zur Erwärmung der Meere liefern können. Seit 1962 zählen wir jeden Werktag alle Organismen in den Wasserproben. Weil sich die Nordsee um etwa 1,7 Grad erwärmt hat, haben wir etliche neue Warmwasser-Arten. Einige Kaltwasser-Arten sind schon nach Norden gezogen. Aber auch andere Beispiele aus unserer Forschung belegen die Klima-Erwärmung: Kleine Algen, die lichtabhängig sind, kommen immer früher im Jahr zum Vorschein und wachsen länger als früher. Auch haben sich die Wassertransporte in der Nordsee verändert.

Frage: Welche Rolle spielt die Lage der Hochseeinsel für die meeresbiologische Forschung?

Antwort: Helgoland hat im Meer eine sehr ungewöhnliche Position. Die Insel ist ein Fels mitten im Schlamm und Sand, viele Organismen siedeln sich dort an. Die nächste felsige Küste ist in Nordfrankreich oder Südnorwegen. Deshalb war es immer etwas ganz Besonderes, so eine Insel mitten in der Deutschen Bucht zu haben. Auf Helgoland kann man exzellent Langzeitdaten erheben. Man kann jeden Tag auch bei relativ schlechtem Wetter rausfahren, um Proben zu ziehen.

Frage: Welchen Vorteil hat die Lage noch?

Antwort: Helgoland, aber auch Sylt, bieten einen enormen Vorteil: Man hat permanent frisches Seewasser – davon brauchen wir große Mengen. Wir pumpen wirklich direkt vom Meer in unsere Becken und haben für unsere Versuche die günstigsten Bedingungen, die man sich vorstellen kann. Einzelne Lebewesen kann man zwar auch gut in künstlichem Seewasser halten, aber die Erfahrung über mehrere hundert Jahre zeigt, dass Organismen einfach ganz schlecht gedeihen, wenn sie nicht das Wasser bekommen, das sie gewohnt sind.

Frage: Was bietet Helgoland, um gute Forscher anzuziehen?

Antwort: Man bekommt die exzellenten Wissenschaftler heutzutage nur noch mit langfristigen Perspektiven, die Work-Life-Balance muss stimmen. Helgoland hat eine besondere Stellung, weil die Insel eine gute Infrastruktur hat, um dort zu leben. Es gibt Schulen, ein Krankenhaus und das Institut besitzt gute Wohnmöglichkeiten. Denn eines der größten Probleme weltweit ist, dass man entweder große Institute weit weg vom Meer hat mit einer exzellenten Infrastruktur oder man ist sehr isoliert, aber ozeanographisch ideal gelegen.

Frage: Das große Projekt der BAH in den kommenden Jahren heißt
«Bluehouse». Was verbirgt sich dahinter?

Antwort: Unser bisheriges Aquarium wurde Ende 2014 geschlossen. Bis 2019/2020 soll ein Neubau eröffnet werden, der Bund fördert das Projekt «Bluehouse» mit über zehn Millionen Euro. Es wird eine öffentliche Forschungslandschaft für die Nordsee – ein Zentrum für alle, die sich für unsere Arbeit interessieren. Hier werden Laien mal selbst Meeresforscher sein können!

ZUR PERSON: Die Umweltwissenschaftlerin Professor
Karen Wiltshire (55) ist Direktorin der Biologischen Anstalt Helgoland und der Wattenmeer-Station auf Sylt. Die gebürtige Irin arbeitet seit 2001 für das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, seit 2006 ist sie die Vize-Direktorin. Wiltshire hat Professuren an der Jacobs Universität Bremen und der Christian-Albrechts-Universität Kiel.

Fotocredits: Marcus Brandt
(dpa)

(dpa)