Berlin (dpa) – Ein großes Einfamilienhaus am Stadtrand oder auf dem Land ist der Traum vieler Deutscher. Einer, den Umweltschützer nicht mitträumen – nicht nur wegen des Pendelns im Auto. Ein weiteres Problem: 

Die Deutschen bebauen zu viel und zu schnell brachliegende Flächen. «Die Schäden an Natur und Umwelt durch Versiegelung und Zerschneidung sind erheblich und zumeist unumkehrbar», mahnt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), ein Beratergremium der Bundesregierung, in einem neuen Gutachten.

Was für Schäden sind das? Einerseits sind Siedlungen, zu denen auch Parks und Gärten gehören, natürlich keine Natur und stehen auch der Landwirtschaft nicht zur Verfügung. Dazu kommt die Versiegelung, also das komplette Zubauen. In versiegelte Böden fließt kein Wasser ab. Das Risiko für Überschwemmungen steigt.

«Versiegelte Böden können kein Wasser verdunsten, weshalb sie im Sommer nicht zur Kühlung der Luft beitragen», heißt es beim Umweltbundesamt. Der fehlende Wasser- und Luftaustausch macht die Böden unfruchtbar. Straßen und Siedlungen hindern Tiere und Pflanzensamen daran, sich auszubreiten.

2002 hat die Regierung geplant, den Flächenverbrauch von 120 Hektar pro Tag auf 30 Hektar im Jahr 2020 zu begrenzen – also von knapp 170 Fußballfeldern täglich auf gut 40. Wie der SRU in einem am Dienstag vorgestellten Gutachten bemängelt, sind es vier Jahre vor dem Zieldatum aber noch 69 Hektar am Tag, etwa 97 durchschnittliche Fußballfelder. «Man muss kein Prophet sein, um anzunehmen, dass dieses Ziel nicht erreicht wird», sagt Martin Faulstich, SRU-Vorsitzender und Professor an der Technischen Universität Clausthal.

Dass die Deutschen trotz schrumpfender Bevölkerung so fleißig bauen, liegt laut Umweltexperten unter anderem am Wunsch nach großen Wohnungen sowie immer mehr Haushalten, in denen nur eine oder zwei Personen leben. In Gegenden, wo die Bevölkerung abnehme, werde wegen der niedrigen Bodenpreise oft trotzdem viel Fläche verbraucht. Auf dem Land kann man sich eben eher ein Einfamilienhaus leisten als im Ballungsraum.

Die Experten raten, dass ab 2030 netto – also inklusive Rückbau – gar keine Fläche mehr versiegelt werden sollte. Das hat der Bundesrat auch schon mal so formuliert, die EU will es bis 2050 schaffen. Dazu soll es Pendlerpauschale an den Kragen gehen: «Wenn man die abschaffen würde, wäre natürlich der Drang, in Städten zu wohnen, deutlich größer», sagt Faulstich.

Weitere Vorschläge: Straßenausbau begrenzen und Senioren, die viel Platz für sich alleine haben, zum Wohnungstausch oder Zusammenleben mit Familien animieren. Kommunen sollen Baugebiete nur ausweisen dürfen, wenn sie mangelnde «Innenentwicklungspotenziale» nachweisen – also keine Brachen und Baulücken in Städten und Gemeinden haben, die bebaut werden könnten, schreibt der SRU weiter. Zudem solle es Obergrenzen für die Flächenausweisung geben.

Davon hält der Städte- und Gemeindebund allerdings gar nichts. «Obergrenzen einzuführen verbietet sich aus kommunaler Sicht, weil das ein unmittelbarer Eingriff in die kommunale Planungshoheit ist», sagt Bernd Düsterdiek, der dort für Städtebau zuständig ist. Sparsam beim Flächenverbrauch zu sein, sei schon jetzt vorgeschriebener und fester Bestandteil der Bauplanung.

Außerdem sei es im Interesse der Kommunen, Ortskerne zu entwickeln, erklärt Düsterdiek – etwa, um dort den Einzelhandel zu stützen. Deshalb unterstützt der Kommunalverband auch eine weitere Forderung der Umweltexperten: Unbebaute, aber bebaubare Grundstücke mit einer höheren Grundsteuer zu belegen als schon bebaute. Damit soll es attraktiver werden, Bauland in den Städten auch zu nutzen und nicht als Spekulationsobjekt brach liegen zu lassen.

Ob daraus was wird? Vorschläge der Regierungsberater seien oft als «Traumtänzerei» beschrieben und nach zehn Jahren doch umgesetzt worden, sagt Faulstich. Etwa beim Thema Recycling oder der Energiewende. Wenn es um Flächenverbrauch geht, schreibt aber selbst das Umweltministerium, das sei nun mal ein schleichendes Phänomen. «Daher mangelt es weithin am nötigen Problembewusstsein.»

Fotocredits: Bernd Wüstneck

(dpa)